NCN 12, Nocturnal Culture Night, 08.-10.09.2017, Deutzen
Mit den Bands Boytronic, Phillip Boa and the Voodooclub, Girls Under Glass, the Invincible Spirit, Sigue Sigue Sputnik und Elegant Machinery stand das diesjährige 12. NCN Festival ganz im Zeichen der „alten Helden“ aus den Achtzigern und frühen Neunzigern. Dennoch waren auch einige junge Bands dabei und so war es insgesamt doch eine ausgewogene Mischung. Auch das Wetter meinte es gut, denn bis auf ein paar Regentropfen am Samstag blieb es - entgegen der Erwartung - fast trocken.
Donnerstag, 07.09.2017
Bereits am Donnerstag Nachmittag öffnete der Zeltplatz des 12. NCN Festivals die Pforten für die frühen Nachtvögel, die schon an der Warm Up-Party mit Tomas Tulpe, Liebknecht (Daniel Myer) und den DJs Schuby, Andy und Shadowboy (Klangstabil) am Donnerstag Abend teilnahmen. Für 10 Euro Eintritt wurde am Donnerstag schon so einiges geboten – und so konnte man ganze vier Tage lang feiern!
Freitag, 08.09.2017
Am Freitag ab 16 Uhr begann am Einlass des Festivalgeländes die Bändchenausgabe, allerdings musste man dafür einige Wartezeit einplanen, denn die Schlange davor war schon sehr lang. Der Zeltplatz dagegen hatte schon früher geöffnet, so dass man schon mal in Ruhe sein Zelt aufbauen konnte. Der Wetterbericht für Freitag versprach, dass es zumindest an diesem Tag nicht mehr regnen sollte, und der Wettergott hielt sich auch fast daran – erst gegen Mitternacht kamen ein paar einzelne Tropfen.
Das NCN ist als sehr familienfreundliches und familiäres Festival bekannt – klein, gemütlich und einigermaßen überschaubar. Der Stand der schwarzen Familie (die-schwarze-familie.net) ist hier schon seit Jahren als fester Partner sehr präsent und eine beliebte zentrale Anlaufstelle, unter anderem für die Autogrammstunden. Dennoch sah es so aus, als ob in diesem Jahr weniger Familien mit Kindern hier waren, als noch vor einigen Jahren – vielleicht ist das aber auch nur subjektives Empfinden, denn Kinder (natürlich mit dem obligatorischen Hörschutz) waren sehr wohl einige anwesend.
Die Konzerte waren auf vier Open Air-Bühnen verteilt: Die große Amphitheater-Bühne (auch Amphibühne genannt), die Parkbühne, die Weidenbogenbühne und die kleine Kulturbühne. Dies alles verteilt sich auf dem verspielten Gelände des idyllischen Kulturparks Deutzen mit seinen verwinkelten Wegen. Für Rollstuhlfahrer ist das steinige und holprige Gelände allerdings nicht geeignet, deshalb konnte man nur vereinzelte Unerschrockene im Rollstuhl ausmachen. Vor allem das Amphitheater mit den vielen Stufen und ohne andere Zugänge ist in dieser Beziehung recht unwegsam.
Vorweg etwas zu den Toiletten: Aufgrund diverser Schwierigkeiten vor einigen Jahren muss seitdem für Toilettenbesuche extra abkassiert werden. Man konnte nun entweder pro Toilettenbesuch 50 Cent bezahlen oder sich ein extra Bändchen kaufen, die sogenannte „Puller-Flatrate“. Für 10 Euro (ab Samstag 8 Euro) bekam man die Flatrate fürs ganze Wochenende bzw. für jeweils 4 Euro für den ganzen Tag. Die ebenso vorhandenen Dixie-Klos waren immerhin kostenlos.
Pünktlich um 16:50 Uhr begann der offizielle Teil des Festivals auf der Parkbühne mit den Gewinnern des letztjährigen Newcomer-Votings Red Mecca. Das Duo aus dem Norden Schwedens überzeugte die Zuschauer wie auch schon im letzten Jahr mit ihrem Dark Wave und spielte hauptsächlich Songs von ihrem aktuellen Album „Electricity“, außerdem noch zwei bisher unveröffentlichte Songs, „State of Grace“ und „Communities“. Die anmutige Sängerin Frida im ausgefallenen Outfit mit weißer Felljacke war dabei ein Blickfang.
Kurz darauf eröffnete die Dark Electro-Band Arise-X aus dem Allgäu die Konzerte auf der Amphibühne. Auf den ersten Blick passte der Frontmann und Sänger im langen schwarzen Mantel und mit langen schwarzen Haaren so gar nicht zu Industrial und Electro, dies wurde aber durch die drei mitgebrachten Cyber-Tänzer bzw. -innen auf der Bühne wieder ausgeglichen. Unter anderem gab es „Bestraf mich“ und „Nekromanie“ zu hören.
Während es auf der Parkbühne für den Rest des Tages elektronisch mit Schonwald, Dark Door, Mr. Kitty und Zanias weiterging, folgten auf der Amphibühne zunächst Jonatan Löfstedt und Gustav Jansson mit ihrem Projekt Sturm Café. Es gab schwedischen EBM mit deutschen Texten und seltsam anmutenden Titeln wie „Koka Kola Freiheit“, „Scheissnormal“ oder „Stiefelfabrik“.
Auf der Weidenbogenbühne begann das Programm mit der Electropop-Band Me The Tiger. Letztes Jahr stand Sängerin Gabriella noch hochschwanger auf der Bühne, dieses Jahr konnte man sie vor dem Konzert mit Kinderwagen sehen. Die Schweden kamen bei den Zuschauern schon im letzten Jahr sehr gut an, und auch in diesem Jahr fanden sich sehr viele Fans vor der Bühne ein. Sie spielten bekannte Songs wie „Slottet“ oder „Ariana“, und natürlich auch die neue Single „Hollow“.
Die darauf folgenden US-Amerikaner Ruined Conflict erinnern mit Sound und Stimme stark an VNV Nation; gerade deswegen – oder trotzdem – konnten sie damit beim Publikum punkten. Auf der Leinwand ließen sie eine 3D-Show laufen und passend dazu wurden 3D-Brillen (80er Style) im Publikum verteilt. Xavier und Eric heizten den Besuchern ordentlich ein mit Songs wie „Horizon“ und „Electric Wave“.
Die Gothic Rock-Band Zeraphine kam erst 20 Minuten vor ihrem Auftritt auf dem Gelände an, aber sie schafften es noch rechtzeitig auf die Bühne. Der sympathische Frontmann Sven Friedrich zog das Publikum in seinen Bann und sie rockten jede Menge alte und neue Stücke wie z.B. „Lieber allein“, „Louisa“ und „Ohne dich“. Sven erwähnte gegen Ende, dass er sich erst gestern „eine Schere ins Bein gehauen“ hat (wie auch immer man das schafft) und deshalb nicht so rumspringen konnte, aber das war ihm gar nicht anzumerken.
Abseits des Electro-/Gothic-Mainstreams konnte man parallel an der gemütlichen Kulturbühne den Neofolk-, Folk- und Industrial-Klängen von ACL, Spiritual Front und Lost Dominion Lost lauschen. Im Anschluss an die Konzerte wurden dort noch Stummfilme gezeigt.
Zurück zur Amphibühne! Dort waren zunächst die Ikonen Girls Under Glass an der Reihe. Die Gothic Rock-Band gibt es seit 31 Jahren, und heute spielten sie in der Originalbesetzung! Deshalb bestand das Set aus zwei Teilen: Zunächst begannen sie mit einigen Songs aus den Achtzigern (z.B. „Lucky“ und „Flowers“) mit Sänger Thomas Lücke. Nach einiger Zeit wechselte Gitarrist Volker Zacharias ans Mikrofon, während Axel Ermes als neuer Gitarrist dazu stieß – und so läuteten sie den zweiten Teil ein, der aus den „neueren“ Stücken ab Anfang der Neunziger bestand. Es war ein klarer Stilwechsel, und der zweite Teil gestaltete sich wesentlich rockiger und aufregender als der erste. Keyboarder Hauke Harms war in seinem Technik-Cockpit über das ganze Konzert hinweg voll in seinem Element.
Das Amphitheater war übrigens schon lange voll mit begeisterten Fans. Zu den Songs der zweiten Hälfte gehörten z.B. „Reach For The Stars“ und das Madonna-Cover „Frozen“. Zum Abschluss sangen Volker und Tom noch gemeinsam „Ohne Dich“ und „Du Tier“.
Nun wurde es Zeit für die Freitags-Headliner Covenant. Die ursprünglich schwedische Band begann mit einem langen Noise-Intro im Nebel, das sich nach einer gefühlten Ewigkeit in „Der Leiermann“ auflöste. Frontmann Eskil Simonsson, seit einiger Zeit kahlköpfig unterwegs, freute sich, an diesem „beautiful place“ auftreten zu können, und mit musikalischer Unterstützung von Daniel Myer und Daniel Jonasson sang er einige Hits wie „Figurehead“ und „The Men“. Obwohl das Amphitheater gut gefüllt war, sah es so aus, als ob nur ein harter Kern direkt vor der Bühne vor Begeisterung ausflippte. Die übrigen Zuschauer genossen es wohl eher im Stillen. Das Highlight war zunächst „Ritual Noise“, über das sich alle über die Maßen freuten. Als die Band von der Bühne verschwand, war aber klar, dass ein weiterer wichtiger Song noch fehlte und natürlich kamen die drei Musiker noch einmal zurück, um unter anderem das ersehnte „Call The Ships To Port“ zu spielen. Damit waren dann alle glücklich und um kurz nach Mitternacht war dieses Konzert nach knapp eineinhalb Stunden wirklich zu Ende.
An der Parkbühne lief im Anschluss noch eine Aftershowparty mit Daniel Myer.
Samstag, 09.09.2017
Wie erwartet begann der Samstag düster und bewölkt und es sah nach Regen aus. Entgegen der Erwartung blieb es aber weitgehend trocken – bis auf ein paar vereinzelte Tropfen und einem leichten anhaltenden Schauer blieb das Publikum vor „richtigem“ Regen verschont.
Um 11 Uhr öffnete das Festival und man konnte sich vor dem Beginn noch etwas auf dem Gelände umsehen. Die Foodtrucks und Imbissbuden an allen Ecken und Enden boten eine breite Auswahl an verschiedensten Speisen und Getränken, dennoch wurden von vielen Besuchern einfach nur banale Pommes oder ein Asia Imbiss sehr vermisst.
Heute startete das Programm auf der Weidenbogenbühne um kurz vor zwölf mit Beyond Obsession. Die drei Musiker aus Berlin, Barcelona und Hamburg zeigten sich einheitlich in schwarzer Kleidung mit weißen Stiefeln und spielten klassischen Synthie-Pop, unter anderem die Stücke „Ghost Pictures“ und „Tokio Underground“, während im Publikum Seifenblasen herumflogen.
Den Opener auf der Amphibühne machten die selbsternannten „Dark-Raver“ Massiv In Mensch aus Varel an der Nordsee. Türkis-schwarz gekleidet und mit dazu passender Bühnendekoration präsentierten sie sich und ihren „100% Offshore-Electro“ – denn: „Türkis ist das neue Schwarz“. Es gab Songs wie „Van Weyden“, das brandneue „Monkey Island“ und sogar ihren ersten Hit „Offensivschock“ im neuen Gewand. Zum Abschluss schossen sie noch – natürlich – türkise Konfetti ins Publikum.
Auf der Weidenbogenbühne ging es zunächst weiter mit den liebenswert-verrückten Australiern von The Red Paintings, die in bizarrer Kleidung und mit Live-Bodypainting einen beeindruckenden Auftritt hinlegten (Songs: u.a. „Streets Fell Into My Window“, „You’re Not One Of Them“). Danach folgten NordarR mit hartem Electro und einem Baseballschläger-schwingenden Wüterich, die Golden Apes und die Synthpopper M.I.N.E um (Camouflage-Sänger) Marcus Meyn.
Die Gothic-Metaller Crematory stellten eine Ausnahme auf dem überwiegend elektronischen Festival dar und Frontmann Gerhard „Felix“ Stass machte darüber seine Späße; überhaupt blödelte er viel mit dem Publikum herum und machte den Auftritt so sehr kurzweilig. Es waren tatsächlich sehr viele Fans anwesend, was man an den vielen Crematory-Shirts im Publikum erkennen konnte. Dem Alkohol war man auf und vor der Bühne nicht abgeneigt. Die Band aus Worms gab Songs wie „Das Haus mit Garten“ und das Depeche Mode-Cover „Black Celebration“ zum Besten.
Den Abschluss auf der Weidenbogenbühne machten an diesem Tag die EBM-Schweden Pouppée Fabrikk.
Parallel traten auf der Parkbühne Mode in Gliany,Seasurfer, A Projection, Heart Of Black Science und Lebanon Hanover auf; auf der Kulturbühne gab es nach einer Lesung von Christian von Aster wieder gepflegten Neofolk mit Dune Messiah, Osewoudt, Thorofon (Industrial) und Rome , und anschließend wieder Stummfilme.
Auf der Amphibühne dagegen folgte zunächst Seelennacht mit Dark Electropop. Der ruhige, elegante Sänger Marc Ziegler aus Baden-Württemberg überzeugte mit seiner Charakterstimme und Musik mit Tiefgang.
Mit Jäger 90 aus Rostock gab es im Anschluss ein solides Set minimalen Oldschool-EBM von Thoralf Dietrich in einem eigentümlichen Flieger-Outfit.
Die Szene-Urgesteine Dorsetshire (hier sei wohl besser gesagt, Dorsetshire and friends) machten ihren Auftritt zu einem großen Familientreffen, denn bei fast jedem Song wurde ein anderer Gastsänger präsentiert und so wurde es eine illustre Runde. Zunächst starteten Sänger Monaco und seine Crew Patty (Gitarre), Lea (Keys), Florian (Drums) und Bruno Kramm (Keys) mit „Krankes Fleisch“. Gleich beim zweiten Song kam schon der erste Gastsänger Andy Koa (Still Patient?) dazu und sie spielten „Hass“; direkt im Anschluss folgte Tim Vic (Nosferatu) mit „Lady in Black“ (ja, eine Coverversion des alten Uriah Heep-Hits). Bruno Kramm, den die meisten als exzentrischen Keyboarder bei „Das Ich“ kennen sollten, hielt sich auch hier nicht zurück und brachte mit seinem beweglichen Keyboard viel Dynamik auf die Bühne. Der Song „Timemachine“ wurde dem erst kürzlich verstorbenen Felix Flaucher (von der Band „Silke Bischoff“) gewidmet. Mit Thomas Lüdke kam ein weiterer Bekannter dazu und sie performten zusammen „Push“, den größten Hit seiner Band „The Invincible Spirit“. Thomas verabschiedete sich mit den Worten „wir sehen uns morgen“, und spielte damit auf den gleich am nächsten Tag folgenden Auftritt von „The Invincible Spirit“ an. Damit war es aber noch nicht genug, denn DJ Rauschi (Ferdinand Leitner), der die bayerische schwarze Szene seit Urzeiten unterstützt und viel für die damals in den Achtzigern jungen Bands „Das Ich“, „Dorsetshire“ usw. getan hat, konnte nun auch noch mitsingen. Zum Abschluss durfte der Szene-Hit „Straße Der Verdammnis“ natürlich nicht fehlen.
Damit waren es aber noch nicht genug Helden der Achtziger, denn es folgten Boytronic. Leider nicht mehr in der Originalbesetzung, aber immerhin zumindest teilweise mit den Songs von damals (z.B. „Red Chips“), überzeugten Hayo Lewerentz, Ingo Hauss und Sänger James Knights das gut gefüllte Amphitheater, und präsentierten auch einige neue Songs (z.B. „Time After Midnight“).
Auch die Band Goethes Erben um Oswald Henke existiert schon seit 1989, hat aber im Lauf der Zeit ihren Stil stark variiert. An einem Querschnitt des bisherigen Schaffens konnte man sich nun eine gute Stunde lang erfreuen. Der Sänger und Lyriker Oswald präsentierte seine Stücke in gewohnt psychopathischer Manier und wurde dabei unter anderem von Sonja Kraushofer (L’âme Imortelle) unterstützt, mit der er schon seit längerem zusammenarbeitet. Da die Band nicht nur auf die musikalische, sondern auch auf die visuelle Umsetzung wert legt, gab es zu „Zimmer 34“ eine eindrucksvoll bizarre Show-Einlage mit Oswald als Hauptdarsteller. Nicht umsonst bezeichnet die Band ihre Auftritte auch als „Musiktheater“; es blieb abwechslungsreich und spannend. Viele ihrer bekannten Songs in deutscher Lyrik wurden dargeboten, wie z.B. „Lebend lohnt es“, „Mensch sein“, „Die Form“, „Glasgarten“ (im Duett mit Sonja Kraushofer), „Himmelgrau“ und die neue Maxi „Lazarus“, um nur einige zu nennen. Als die Band weiße Kerzen in rauen Mengen im Publikum verteilte, war es ein besonders schöner, stimmungsvoller Anblick, denn das Amphitheater erstrahlte nun in einem ganz besonderen Licht. Ein paar leichte Regentropfen während dieses Konzerts konnten der Stimmung nichts anhaben.
Auch die Headliner des Samstags, Phillip Boa and the Voodooclub, wurden heiß erwartet. Auch hier ein Querschnitt aus über 30 Jahren Bandgeschichte! Ein vielseitiges Konzert mit verschiedenen Percussions (z.B. einem Fass) und Songs in unterschiedlichen Stilen. Jedes Mal, wenn der Dortmunder Sänger dem Publikum näher kam, jubelte die Menge begeistert auf – für viele ein Idol der Jugend. Ein Auszug aus der Setlist: „Deep in Velvet“, Til The Day We Are Both Forgotten“, „Atlantic Claire“, „Albert is A Headbanger“. Den Song „Diana“ kommentierte der hochgewachsene Mann trocken: „Das nächste Lied ist etwas punkig… Ja… Ist halt so.“ Neben ihm wirkte die Sängerin Vanessa Anne Redd besonders zierlich. Als die absoluten Publikums-Favoriten stellten sich die Songs „And Then She Kissed Her“ und „Container Love“ heraus. Als Zugaben wurden noch „This Is Michael“ und „Kill Your Ideals“ gespielt; von letzterem sagte Boa, es sei zwar ein alter Song, aber er habe immer noch dieselbe Aussagekraft. Damit endeten auch an diesem Tag die Konzerte gegen Mitternacht.
Wer allerdings noch weiter feiern wollte, konnte zur Aftershowparty an der Parkbühne – diesmal mit Torben Schmidt und DJ Schubi – teilnehmen.
Sonntag, 10.09.2017
Der Festivalsonntag begann mit strahlendem Sonnenschein, und dies sollte glücklicherweise für den Rest des Tages auch so bleiben.
Opener bildeten auf der Weidenbogenbühne wieder kurz vor Mittag die drei Norweger Essence Of Mind. Vor der Bühne hatte sich schon ein Häufchen Fans eingefunden, und einige schwangen sogar emsig Norwegen-Fähnchen, was der Sänger Erlend Eilertsen freudestrahlend zur Kenntnis nahm. Mit ihrem mitreißenden Alternative-Electrorock sorgten sie gleich zu Beginn für eine super Stimmung und sie gaben Songs wie „Escape“, „Hate“ und “After The Break Up“ zum Besten.
Direkt im Anschluss starteten auf der Amphibühne Vuduvox. Das belgisch-französische Duo setzt auf maschinelle Beats mit Gitarre, kombiniert mit düsteren französischen Lyrics, und spielte unter anderem die Songs „Berlin“ und „Sérénade Pour Un Renégat“. Aufgrund des hervorragenden Wetters waren schon viele Leute im Amphitheater und genossen die Sonnenstrahlen und die Musik.
Harsch ging es weiter bei Lucifer’s Aid. Das schwedische Ein-Mann-Projekt von Carl Nilsson überzeugte mit einer Mischung aus klassischem EBM und Industrial. Sein neues Album „Human Rights“ wurde erst am Freitag pünktlich zum Festivalbeginn veröffentlicht und selbstverständlich gab es auch schon einige Songs davon zu hören, nämlich „Future Mess“, „Confusion“ und „The Warning“.
Auf der Kulturbühne gab es am letzten Tag wieder eine Lesung, diesmal von Veit Keller und danach Musik von Traum‘er Leben, Otto Dix und Of The Wand And The Moon.
Da die kroatische Band Popsimonova wegen Krankheit leider kurzfristig absagen musste, begann es auf der Parkbühne erst später mit Saigon Blue Rain, dann folgten Ash Code und Drangsal.
Auf der Weidenbogenbühne waren als nächstes die Engländer Empathy Test an der Reihe. Sie haben hierzulande schon eine breite Fanbase, die sie begeistert vor der Bühne erwartete. Der Sänger Isaac stellte beeindruckt fest, dass nicht nur er vom gestrigen Abend in Berlin verkatert war, sondern auch einige treue Fans aus dem Publikum, die am Vorabend ebenfalls dort waren. Die sympathischen Londoner spielten dennoch souverän ihr Set mit emotionalem Electropop und z.B. ihren Songs „Losing Touch“ und „Bare My Soul“. Isaac betonte zwischendurch, dass Bandmitglied Adam Relf an diesem Tag ausnahmsweise mit auf der Bühne steht, obwohl er normalerweise nicht so gerne rausgeht, sondern lieber in seinem Zimmer bleibt und an neuer Musik werkelt. Mit „Here Is The Place“ ging das Konzert leider schon wieder zu Ende.
Die Schweden Wulfband starteten sofort energiegeladen durch und der Frontmann, wüst aussehend durch ein zerfetztes Tuch über dem Kopf, sang bzw. shoutete mehr seine grotesken deutschen Vocals in Richtung Publikum. Dort kamen die kraftvollen Oldschool-EBM-Songs mit kuriosen Titeln und Texten, unter anderem „Aggressivität“, „EisZeitGeist“ und „3, 2, 1, Nein“, sehr gut an und im Moshpit tobte schon bald eine heftige Party und wilde Schubserei. Aber auch das restliche Publikum tanzte ausgelassen, offenbar handelte es sich hier um Favoriten, und das schon am frühen Nachmittag! Der Sänger fegte wie ein Derwisch über die Bühne und so verging die Zeit rasend schnell. Zugabe-Rufe mussten aus Zeitgründen leider unerhört bleiben.
Eingängigen Synthiepop gab es bei Elegant Machinery, die seit 1988 die Welt mit ihrer Musik erfreuen. Frontmann Robert Enforsen sang eine Auswahl aus dem langjährigen Repertoire der schwedischen Kultband, z.B. „Shattered Grounds“, „Feel The Silence“, “Move“ und zum Abschluss „Say Goodbye“. Die Band bedankte sich bei den Fans mit einigen T-Shirts, die sie in die Menge warf. Nach einigen Zugaben („Words of Wisdom“, „Save Me“) waren leider die Konzerte auf der Weidenbogenbühne fürs diesjährige NCN auch schon wieder vorbei.
Parallel dazu ging es natürlich auch auf der Amphibühne weiter; am frühen Nachmittag zunächst mit The Invincible Spirit. Neben ihrem größten Hit „Push“ spielten Thomas Lüdke und seine Leute auch noch „Irregular Times“, was zwar eigentlich von der Band „The Mao Tse Tung Experience“ ist, aber auch dort hatte Thomas Lüdke seine Finger und seine Stimme im Spiel und deshalb war es dann doch nicht verwunderlich, den Song auch in diesem Zusammenhang zu hören. Die Klassiker kamen im gut gefüllten Amphitheater gut an, und spätestens bei „Push“ feierten alle mit. Die Band hatte aber noch mehr zu bieten, und so gab es unter anderem „Contact“, „Devil Dance“, „Erase“ und „Hate You“.
Als nächstes folgten die exzentrischen Sigue Sigue Sputnik Electronic mit Frontmann Martin Degville. Der extravagante Sänger kam in einem knallorangenen Anzug und hochhackigen Schuhen auf die Bühne. Das gewagte Fetisch-Outfit des Gitarristen allerdings ist fast unbeschreiblich, man muss gesehen haben, sonst glaubt man es nicht. Allein die Frauen in der Band sahen „normal“ aus (so normal man auf einem Gothic-Festival sein kann ;) ) Die Electropunks aus London legten sofort mit „Rockit Miss USA“ los. Ein Hit jagte den nächsten, und der charismatische Martin wusste zu fast jedem Song etwas zu erzählen; es gab „Success“, „Jean Genie“ (ein David Bowie Cover), „Sci-Fi Lover“, „Satellite“, „Dancerama“ und „Sex Bomb Boogie“ zu hören. Als Zugabe spielten sie endlich noch „Love Missile F1-11“.
Das fulminante Finale gehörte den Aggrotech-Helden Suicide Commando. Schon seit über 30 Jahren agiert Johann van Roy unter diesem Namen und prägte mit seiner Musik ein komplettes Genre. Der beliebte Belgier sprühte vor Energie und steckte das Publikum sofort an – falls das überhaupt notwendig war, denn die Begeisterung in der Menge war überall zu spüren. Obwohl abends am Abreisetag viele Festivalbesucher schon nicht mehr da waren, war das Amphitheater bis zu den hintersten Rängen gut gefüllt und alle tanzten – eine einzige, riesige Party. Der vorläufige Höhepunkt der Show waren sicherlich „Bind, Torture, Kill“ und direkt im Anschluss „Love Breeds Suicide“. Johann fegte über die Bühne und der Mikrofonständer war am Ende nur noch ein Häufchen Elend. Er beglückte seine Fans aber auch mit weiteren Reißern aus seinem reichhaltigen Repertoire, wie z.B. „Die Motherfucker Die“, „See You In Hell“ oder „The Pain That You Like“ - und natürlich „Cause of Death: Suicide“. Die teilweise recht makabere Videoshow ist jedes Mal aufs Neue verstörend. Natürlich gab es (vor allem zu Beginn des Konzerts) auch viele Stücke vom kürzlich erschienenen neuen Album „Forest Of The Impaled“. Als Zugabe für seine deutschen Fans erfreute er diese noch mit „Dein Herz, Meine Gier“. Und wenn sich ein glückseliger Johan van Roy nach eineinhalb Stunden Show gegen 22 Uhr mit ausgestrecktem Mittelfinger in Richtung Publikum und den Worten „I fucking love you!“ verabschiedet, muss man ihn einfach liebhaben.
Zum Abschluss des Festivals holte Moderatorin Manja Kraiser noch fast die gesamte NCN-Crew auf die Bühne, um sich gemeinsam mit dem Publikum gebührend bei allen Beteiligten zu bedanken. Ein wunderschönes, familiäres Festival war nun endgültig vorbei.
Autor: Luscinia
Copyright Photos: Marcel Kahner
Anhang: Setlists
Vielen Dank an die Bands, die mir ihre Setlists zur Verfügung gestellt haben!
Arise-X : Angel in Bondage, Weg ins Licht, Bestraf mich, Nekromanie, Grab für die Liebe, Digitale Kampfmaschine
Essence Of Mind : Escape, Hate, The great unknown, No place to hide, The other side, After the break up, Disturbing situations
Girls Under Glass : Part 1: LONG FORGOTTEN ROOM, WALL OF SOUND, TOMORROW EVENING, LUCKY, STRONG HEART, FLOWERS
Part2: WHEN I THINK ABOUT YOU, NEVER GO, DIE ZEIT, REACH FOR THE STARS, FROZEN, BURNING EYES, OHNE DICH (m. Tom), DU TIER (m. Tom)
Lucifer's Aid : Intro, Control Yourself, Unfollow Me, Future Mess, The Taste, The Warning, Dead Warning, Confusion, Deep Inside
Massiv In Mensch : Van Weyden, Offensivschock, Monkey Islands, Rotto Nave, Sturm, Hamburg, Supermassive Gravity, Pernod / Pop Corn
Me The Tiger : 1. Slottet, 2. What is beautiful , 3. Hollow, 4. Saknaden , 5. Pocket sized edition ending, 6. I thought sleep would do it, 7. Ariana, 8. Hiraeth, 9. As we really are, 10. What promises are worth
Red Mecca : State of Grace (unreleased), Control, Always There, Skin, Communities (unreleased), Set in Motion, Call me Up, Alcohol
Ruined Conflict : 1. Reflection , 2. Anonymous, 3. Fallen Champions, 4. Moving on, 5. Mainstream corruption, 6. Horizon, 7 .Electronic Wave, 8. Last Empire, 9. United we stand and fall, 10. We will be heard
Sturm Cafe : 01 Europa, 02 Eine Frage, 03 Koka Kola Freiheit, 04 Scheissnormal, 05 Stiefelfabrik, 06 Ich Spekuliere, 07 1632, 08 Arsenal, 09 Sicherheit, 10 Die Zombiejäger, 11 Der Löwe ist Zurück
Suicide Commando : The Gates Of Oblivion, My New Christ, Too Far Gone, The Pain That You Like, Schiz[o]topia, God Is In The Rain (Remix), Cause of Death: Suicide (Remix), The Devil (Satanismus Remix), Unterwelt, Bind Torture Kill (Remix), Love Breeds Suicide, We Are Transitory, Die Motherfucker Die, Zugaben: Dein Herz Meine Gier
The Red Paintings : streets fell into my window, wasps, fall of rome, madworld, youre not one of them, the revolution is never coming
Wulfband : 01. SMF, 02. Attentat, 03. Aggressivitat, 04. EisZeitGeist, 05. Full Frontal Sabotage, 06. Jetzt, 07. Pest / Was für ein Fest, 08. Weg, 09. 3, 2, 1, Nein, 10. Gewalt.